Die Interpretation von "Geschlecht" als "biologisch" oder "natürlich" ist problematisch. Als Hilfskonstrukt betrachten Viele den Begriff "Gender" als das soziale Komplement von Geschlecht: als etwas, das formbar, sozial kontingent und psychologisch ist. Was aber ist, wenn die Kategorien "männlich" und "weiblich" selbst soziale und intellektuelle Konstrukte sind und keine "natürlichen" Gegebenheiten? Was bedeutet das für Mutter*schaft? Können Väter auch Mütter* sein?
Sehr spannend ist der Ansatz von Dr. Anne Fausto-Sterling, emeritierte Professorin für "Biology and Gender Studies in the Department of Molecular and Cell Biology and Biochemistry" der Brown University, Providence (USA) :
"I believe that both sex and gender are in part social constructs. But they take place in the body, and so are simultaneously biological. Dynamic systems theories link the social—which impinges on the developing body—to the body itself. Cultural experience has physiological effects."
Fausto-Sterling zufolge ist die Prämisse "Natur versus Kultur" falsch. Ihre Theorie dynamischer Systeme bietet stattdessen eine Erklärung an, wie kulturelle Unterschiede zu körperlichen Unterschieden werden. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass der Körper nicht vorgeformt ist. Vielmehr entwickelt der Körper bestimmte Ausprägungen als nervliche, muskuläre und emotionale Reaktionen, die durch einen wechselseitigen Austausch des Körpers und seinen körperlichen, emotionalen und kulturellen Erfahrungen entstehen (nach Fausto-Sterling).