Der Knackpunkt oder: Wie sich die Katze in den Schwanz beißt

Wenn ich feministische Mutter*schaft denke, denke ich zeitgleich zwei Aspekte: Erstens, gleichberechtigte Partner*innenschaft und zweitens, gleichberechtigtes Aufwachsen von Kindern.

 

Beginnen wir mal mit dem zweiten Aspekt, da dieser derjenige ist, mit dem werdende Eltern* oft zuerst konfrontiert sind. Bereits in der Vorbereitung auf ein Kind ist es überraschend schwierig, sich geschlechtsneutral zu verhalten. Das beginnt bei der Auswahl der Kleidung, geht über gegenderte Kinderwagen und endet (nicht) bei gegendertem Spielzeug. Die Prämisse "geschlechtsneutrale Erstausstattung" ist eine echte Herausforderung. Noch mehr dann, wenn das nötige Kleingeld fehlt, um sich die jeweilige Öko-Bio-Wolle-Seide-Naturfarben-Version der Kleidungsstücke zuzulegen, die vom Design dem Ziel oftmals am nächsten kommt (siehe hierzu auch neuer Blogbeitrag vom 08.04.2019). Ansonsten ist quasi nichts unisex und so habe ich bereits mehrfach Blümchen- und Herzchenstickereien von Hosen und Pullis entfernt, die im Anschluss als neutrale Hose oder Shirt durchgingen. Denn darauf läuft es schon bei den Kleinsten hinaus: Blümchen, Herzchen, Glitzer für Mädchen; Autos, Fußball und dunkle Karos für Jungs. Hier die emotionale Deko, da die seriöse Action - wie im richtigen Leben!

 

In diesem richtigen Leben, und damit zum ersten Aspekt, stehen die gleichen Eltern, woke und feministisch, später vor der Frage, wie sie die Elternzeit aufteilen. "Er verdient einfach mehr, da macht das Sinn, dass ich zuhause bleibe." "Sein Arbeitgeber sieht das nicht gern, da verspielt er alle Aufstiegschancen." "Teilzeit ist in seinem Job einfach nicht möglich." "Ich stille ja, deswegen habe ich länger Elternzeit." 

 

In diesem richtigen Leben stehen die Eltern, woke und feministisch, noch etwas später vor der Frage, wer an den ganzen Shit denkt, der Zuhause zu tun ist. "Er sieht das einfach nicht." "Er hat halt ein anderes Sauberkeitsempfinden als ich." "Also ich möchte das auch nicht immer so kleinteilig nachrechnen, wer wie viel macht, das finde ich einfach blöd." 

 

Und dann bleiben die Frauen* länger zuhause, verzichten auf ihre Karriere, verlieren vielleicht sogar den Job, weil es keinen Kitaplatz gibt oder weil sie für das kranke Kind zu oft am Arbeitsplatz fehlen, fühlen sich allein für das Familiäre und die Sauberkeit verantwortlich, übernehmen den Mental Load, loben ihre Söhne*, wenn sie ihre neutral grüne Wollwalk-Jacke selbst aufhängen statt in die Ecke zu pfeffern (1) und zack! beißt sich die Katze in den Schwanz. 

  

Es ist bekannt, dass Kinder Vorbilder brauchen. Zum Beispiel spielen viele Jungs* auch deswegen gern Fußball, weil sie in den Medien ständig die männlichen Profis vor Augen haben, die ihnen zeigen, was aus ihnen werden kann. Mädchen* fehlen in der Hinsicht Idole. Wenn es sie gibt - und im Fußball gibt es sie selbstverständlich - haben sie nicht die gleiche Präsenz. Natürlich kann auch ein Junge*, der seinen Vater* nie putzen sieht, putzen lernen. Natürlich kann ein Mädchen*, dessen Mutter* als Hausfrau arbeitet, beruflich Karriere machen. Die Kinder lernen das dann eben durch andere Menschen oder Familien kennen, eifern nach oder grenzen sich ab, ganz nach ihrer Fasson.

 

Doch solange Väter* überwiegend keine oder wenig Care-Arbeit leisten (2), gibt es diese anderen Menschen und Beispiele nicht.

 

Klar können Mädchen* Fußballprofis werden! Die nächste Mädchen*mannschaft gibt es aber erst in der Stadt, die 30 Kilometer weit weg ist. Klar können Jungs* als Hausmann arbeiten. Aber es gibt im Bekanntenkreis keinen einzigen Mann*, der das macht. Es gibt im Bekanntenkreis noch nicht mal einen Mann*, der ohne Aufforderung seine Hälfte der Care-Arbeit übernimmt. Von wem sollen die Kinder lernen?

 

Gleichberechtigte Partner*innenschaft ist der Schlüssel zu Emanzipation und Selbstbestimmung. Für alle Geschlechter. Für alle Elternteile. Für alle Kinder.

  

 

PS: Es gibt einen Nachtrag ("Klassistische Kritik?") zu diesem Text, der hier zu lesen ist

 

Mehr zum Thema: Entwurf für eine Neue Eltern*bewegung

Und: 15 Tipps für feministische Vater*schaft

 

(1) Das war polemisch. Mir ist klar, dass einmal Loben nicht zum Gender Pay Gap führt. 

(2) Ich weiß, dass nicht alle Männer* wenig oder keine Care-Arbeit leisten. Meiner zum Beispiel. Aber nur, weil's das in der eigenen Bubble gibt, heißt das nicht, dass das dessen Fehlen kein weitreichendes Problem ist. Das Absurde ist ja auch, dass selbst Menschen, die sich Feministinnen* nennen und die vor dem Kind keine Probleme hatten, in eigentlich ungleichberechtigten Partner*innenschaften leben. Was sich dann erst so nach und nach herausstellt.

 

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